Sehr geehrte Damen und Herren,
Moin aus Hamburg,
im Monat März 2023 hat der COLIBRI eine Wertentwicklung (TR) von -3,09% erzielt. Folgend eine Übersicht des Colibri gegenüber einigen ausgewählten Indices seit Auflage und YTD.
Ab in die Nische – European Credit
Der März war von einigen außerordentlichen Events geprägt, die in den USA mit SVB und Co. und auch hier bei „uns“ mit dem CS-UBS Merger extrem viel Hektik hervorgerufen haben. Die Geschehnisse wurden anderorts genügend diskutiert und sollen hier keine weitere Erwähnung finden. Zu sagen ist nur, dass wir der Einschätzung folgen, dass sehr schnell reagiert wurde, sowohl Regulierung und Regierung als auch andere Banken kommuniziert und unterstützend gehandelt haben. Die Gemengelage in Europa ist darüber hinaus eine leicht andere, da kleinere und mittlere Kreditinstitute auch hier deutlich strenger reguliert werden. Die Trump-Administration hat erst in 2018 eine Lockerung für kleinere Banken in den USA zugelassen. Zeitgleich müssen wir an der Stelle weiterhin aufgreifen, dass die geringe (wenn auch besser als in 2022) Markttiefe am OTC-Bondmarkt auf weiterhin hohe Volatilität trifft. Der „MOVE-Index“ der BofA und die starken Tagesbewegungen bei US-Treasuries sind erste Indikationen dazu. In diesem Kontext ist ebenso interessant, dass die für Risiko-Assets sprechenden Aktien positiv laufen und die Volatilität eher gering ist. Zeitgleich malen Risikoanleihen (z.B. High-Yield) ein anderes Bild und weiten sich aus. Wenn solche Diskrepanzen zu beobachten sind, war es oftmals ratsam auf die „Risikomanager“ des Marktes in Form des ca. 3,5x so großen Bondmarktes zu hören.
Spannend und das passt ins Bild, wird es, da zunehmend auch im Credit-Markt Stress aufkommt. Im europäischen High-Yield Markt sind in den vergangenen zwölf Monaten zwar „nur“ fünf Emittenten in den Default gerutscht (Anteil von 0,9%), jedoch werden für 2023 weiterhin zwischen 2-2,5% erwartet. Mittlerweile handeln wieder 10% aller europäischen High-Yield Emittenten im Distressed-Bereich. Die Definition dafür orientiert sich an einem Swap-Spread von >1.000bps. Dies ist der erste wesentliche Anstieg seit September letzten Jahres, als wir uns in einer Marktphase befanden in der Primär- und Sekundärmarkt für HY kaum zugängig waren. Daraus wiederum lässt sich ableiten, dass die fundamentalen Sorgen der Anleger mehr und mehr in den Vordergrund rücken. Solch ein Umfeld ermöglicht für den Colibri interessante Optionen, da die „einfache“ Refi über den Primärmarkt oftmals nicht mehr zur Verfügung steht und alternative Lösungen gefunden werden müssen. Dies kann in einer Anpassung der Anleihebedingungen liegen (sog. Amend + Extend), was wir durchaus spannend finden, der Support durch einen starken Sponsor (z.B. Private Equity), wo wir den Zyklus des Engagements analysieren oder auch einen Debt-to-Equity Swap, was wir aufgrund der dadurch entstehenden Illiquidität meiden. Ein Beispiel bietet dabei die Modekette Takko Fashion, die vor kurzem eine entsprechende Restrukturierung bekannt gegeben hat. Aus Gesprächen mit dem Unternehmen wurde deutlich, dass eine weitere Finanzspritze durch den Gesellschafter Apax Partners (Private Equity aus London), der bereits seit 2011 investiert ist und seitdem den Turnaround nicht geschafft hat, ausgeschlossen werden kann. Zudem hatten sich in der nächsten ausstehenden Verbindlichkeit, einer 285Mio. EUR großen Anleihe mit Laufzeit 11/2023, bereits drei Hedgefonds platziert, die die Absicht verfolgten in den Driver-Seat zu rutschen. Dies geschah über einen Debt-to-Equity Swap, die drei Anleihegläubiger zählen nun also zu den größten Aktionären und können den Turnaround langfristig anstoßen. Damit soll ein Beispiel und auch die Hintergründe genannt werden, bei dem wir nicht dabei waren oder sein möchten.
Der COLIBRI hat im Monat März nicht nur seine schwächste Monatsperformance seit Auflage, sondern auch Underperformance gegenüber Indices wie dem HFR Event Driven Credit Index, als auch EUR High-Yield eingefahren. Die negative Wertentwicklung ist vornehmlich auf verfolgte Events zurückzuführen, weniger mit der allgemeinen Schwäche eines bestimmten Sektors oder einer spezifischen Assetklasse. Der geringe Anteil an AT1-Anleihen im Fonds hat sich äußerst heterogen verhalten. Einige haben sich schon wieder vollständig erholt, einige wurden selektiv aufgestockt während anderen der Drawdown noch anzusehen ist. Mehr dazu folgend. Hinzu kommen Sondersituationen bei Corporates, wovon wir eins weiter unten genauer beleuchten möchten.
- Bankenbeben: Erstmalig haben wir außerordentlich zu diesem monatlichen Memo ein paar Dinge rund um die Credit Suisse im März berichtet. Die spezifischen Briefings dazu haben wir nochmals angehängt. Was ist hieraus mitzunehmen? Wir hatten Credit Suisse Exposure sowohl bei Senior- als auch bei Nachranganleihen. Diese wurden jedoch jeweils aus der operativen Einheit (OpCo) und nicht aus der Holding (HoldCo) begeben. Dies ist, insbesondere in Stresssituationen/High-Yield Emittenten, ein wichtiges Kriterium, da Sie als Gläubiger i.d.R. dichter an den operativen Assets sitzen möchten. Zum Vergleich: Eine Senior-Anleihe der OpCo wird einer Senior-Anleihe der HoldCo stets bevorzugt behandelt. Man spricht dann vom strukturellen Nachrang. Diese Senior-Anleihe wurde uns dann durch eine Kapitalmaßnahme bei 99.25% erfolgreich ausgebucht, handelte zwischenzeitlich aber in den tiefen 80ern. Zudem hielten wir auch eine Tier2-Anleihe, die als CoCo strukturiert war. Insgesamt hat die CS 14 CoCo-Anleihen ausgegeben. Von diesen wiederum wurden 13 Anleihen auf einen Wert von 0 (also Totalverlust) herabgeschrieben. Die 14. CoCo-Anleihe, die als einzige aus der OpCo und als Tier2 (sehr ungewöhnlich) strukturiert war, haben wir gehalten. Folend nochmals gut zusammengefasst à A $2.5 Billion Credit Suisse Junior Bond Is Unscathed in Wipeout. Der Chart zeigt die Achterbahnfahrt dieses Papieres. Nun haben die Hausaufgaben in der Analyse der Bond-Strukturen zwar geholfen, eine solch schnelle und dem massiven Vertrauensverlust geschuldete Bewegung hätten auch wir jedoch nicht erwartet. Ein weiteres „Sicherheitsnetz“, das bei uns noch vor einer Fusion mit der UBS stand, war eine temporäre Beteiligung durch die SNB. Die rechtlich vertretbare Entscheidung AT1-Gläubiger mit einem Totalverlust nach Hause zu schicken, gleichzeitig jedoch Aktionäre, die im Rang darunter stehen, zu bedienen, bringt wirtschaftsethisch viele Fragezeichen mit sich. Ein kurzer Einblick in unsere Vorgehensweise: Im massiven Drawdown des Bonds haben wir nicht verkauft, auf unsere Analyse gesetzt und weitere Gespräche mit dem Treasury auch am besagten Wochenende und Montag drauf unternommen. Der kurze Draht durch den aktiven Austausch hat dabei geholfen. Bevor 100% Klarheit herrschte, haben wir jedoch auch keinen „Hail-Mary-Trade“ (also eine Aufstockung gemäß dem Motto „if you’re in trouble – double“) vollzogen. Im Kurs in den 80ern haben wir uns dann nach Klärung nochmals um Bonds im Nachkauf bemüht. Mehr Event geht nicht.
- CoCo-Markt: Generell hat dies den gesamten AT1-Markt kräftig durchgewirbelt, sodass dieser von über +6% Mitte Februar im März in der Spitze über 18 Prozentpunkte abgab. Daraus jedoch sind spannende Chancen entstanden, die wir direkt nach dem „CS+UBS“-Wochenende für sehr selektive Käufe im CoCo-Universum genutzt haben. Es lässt sich sagen, dass der vollzogene Schritt ungewöhnlich aber kein Todesurteil für die Assetklasse der AT1-Anleihen gewesen ist. Es wird in Zukunft wieder Nachfrage nach diesem Rendite-Risiko Muster und Neuemissionen geben. Wir sind besonders gespannt, welcher Emittent sich als weißer Ritter der Assetklasse feiern lässt und wieder eine Kündigung (im Idealfall zum 1st. Call) ausspricht. Exkurs: AT1-Anleihen müssen laut regulatorischen Vorschriften in einem gewissen Prozentanteil zu den RWAs einer Bank emittiert werden. Eine Kündigung kann nur nach Genehmigung der Aufsicht (man fragt sich hier, wer die Kündigung bei der CS im Sommer 2022 noch durchgewunken hat…) erfolgen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn eine Refinanzierung zu günstigeren oder zumindest ähnlich Konditionen (immer im Vergleich zum ausstehenden Bond) vollzogen werden kann. Es besteht jedoch eine Alternative. Durch den Risikoabbau bei vielen Bankhäusern haben sich die RWA verringert. Der ausstehende Betrag an AT1 gewinnt dann überproportional an Gewicht, die Finanzierungsstruktur ist aus Emittentensicht wird also deutlich zu teuer. Man spricht dann gerne von überschüssigem AT1-Kapital oder auch negativer Netto-Neuemission. Vereinfacht: Es werden Bonds gekündigt, ohne neue zu begeben, weil sie schlichtweg nicht mehr benötigt werden. Ein tolles Beispiel liefert HSBC. Diese haben transparent angekündigt (à Fixed income investors | HSBC Holdings plc ab min. 25 „calling at1 bonds and NOT replacing = YES“) in diesem Jahr aktiv zu werden. Auch aus den Zahlen ist dies recht „simpel“ zu kalkulieren, da ca. 2.2-2.5 Mrd. US$ äquivalent ausreichen, jedoch 4Mrd. US$ ausstehend sind. Nachdem wir diesbezüglich ein Update bei der Bank und auch bei der UK-Bankenaufsicht eingeholt haben, sind wir aktiv geworden, die eingekaufte Rendite lag bei ca. 11.5% p.a. bei einer Restlaufzeit zum 1st. Call im September. Die Hektik schlug auch auf andere Papiere durch. So kündigte beispielsweise die Aareal Bank an ihre AT1-Anleihe nicht zum nächsten Kündigungszeitpunkt am 30.04 vom Markt nehmen zu wollen. Dieses Papier hingegen ist bereits seit 04/2020 kündbar. Damit steht diese Aktion nur bedingt im Zusammenhang mit den zuletzt gesehenen Turbulenzen. Der zweite Blick hilft also, den viele hier leider missachtet haben.
- Französischer Supermarkt: Der Colibri konnte mit einem französischen Supermarktbetreiber in der Vergangenheit mit bereits ausgelaufenen Anleihen positive Kontributionsbeiträge einfahren. Die Story wird also bereits seit längerer Zeit verfolgt. Im Fokus der Story steht ein weiterer Verkauf von nicht zum Kerngeschäft gehörenden Anteilen. Eine „simple“ Sum-of-the-parts Berechnung ermöglicht uns eine Intraday-Bewertung dieser Assets. Im März wurden weitere 750Mio. EUR liquidiert, um die Entschuldung voranzubringen. Dies reichte dem Markt aktuell jedoch nicht aus und es gibt weitere Ereignisse rund um die komplexe Aktionärsstruktur. Im Monat März war vor allem zu beobachten, dass die von uns gehaltenen Bonds durch Short-Seller einer erhöhten Volatilität ausgesetzt waren. Die Gründe dafür liegen vor allem darin, dass sich einige Marktteilnehmer mit Shorts auf kurzlaufende Bonds gegen illiquide Engagements in der Holding oder Bewegungen auf der Zinskurve absichern. Ein imperfekter Hedge, der unsere Bonds betrifft. Diese rückläufigen Kurse treten auf, während Credit-Default-Swaps weiterhin deutlich von ihren All-Time Highs entfernt sind. Während auf der einen Seite die Risikomerkmale also „unverändert“ bleiben (CDS), wurden die Bonds abgestraft. Es wird hier in Zukunft weitere Bemühungen rund um frisches Eigenkapital geben. Dazu gehört u.a. die Fusionierung des Frankreichgeschäftes mit weiteren Einzelhändlern. Viele am Markt haben kritisiert, dass es für einen Stressed-Titel aktuell schwierig bis unmöglich sein dürfte, frisches EK einzuwerben. Da würden wir einen Haken dran machen. Allerdings handelt es sich hier um eine Transaktion, die vor allem auf die langfristigen Partnerschaften des Gründers zurückzuführen sind. Bereits seit längerer Zeit sind große Ankeraktionäre aktiv, die auch künftig einspringen können. Gerade besicherte Anleihen am kurzen Ende können spannend sein. Insgesamt sind Anleihen im besicherten und unbesicherten Status begeben, Papiere nach europäischem und amerikanischen Recht. Sollte der Deal bei unseren Bonds aufgehen, können Renditen im zweistelligen Prozentbereich eingefahren werden, im Downside würden wir eine Anpassung der Anleihebedingungen (z.B. Verlängerung und höherer Kupon) erwarten, was durchaus vertretbar wäre. Die Recovery der Bonds selbst liegt in den 70er.
- M&A führt zu Rückkauf bei 100: In den Vormonaten haben wir bereits kurz von Vantage Towers berichtet. Der Sendemastbetreiber gehörte zu Vodafone, im Rahmen einer Ausgliederung und der Neuaufnahme von Aktionären aus dem Private-Equity Segment (KKR & GIP) wird die Aktie vom Markt genommen. Wir waren hier im längsten Bond bis 2030 engagiert. Dieser handelte (durch die stark gestiegenen Zinsen) am stärksten unter par, wodurch die Wertaufholung bis 100 am größten war. Zu diesem Trigger ist es gekommen, da durch die neue Struktur eine Change-of-Control (CoC) Klausel aktiviert wurde. Unter diesem Link à Compulsory publication in accordance with Section 14, sub-sec (wpueg.de) können Sie auf Seite 89 die neue Struktur einsehen. Die Gründung des untersten Joint-Ventures war aus unserer Sicht der ausschlaggebende Trigger für den CoC. Hervorzuheben ist dabei nicht die positive Entwicklung allein, sondern vor allem der marktunabhängige Charakter der Anleihe seit Auftreten dieser Sondersituation (Anstieg, Seitwärts, 2. Anstieg usw.).
- Financial Conference: Die Financial Conference von Morgan Stanley in London, bei der wir acht Emittenten treffen durften, viel in Sachen Timing in die wohl spannendste Kapitalmarktwoche seit Fondsauflage des Colibri im Dezember 2021 und der globalen Finanzkrise ganz allgemein. Wir haben acht Emittenten im 1on1 getroffen und Vorstände europäischer Kreditinstitute beim Fireside-Chat verfolgt. CS haben wir besprochen, darüber hinaus gab es aber natürlich noch viele weitere intensive Gespräche. Ein italienisches Institut hat uns beispielsweise einen zeitlichen Ausblick über eine mögliche Übernahme bereitgestellt. Diese wird bereits seit längerer Zeit diskutiert, die Einschätzung des CFO, wann es hier zu Aktivitäten kommt, rundet unsere Analyse jedoch ab. Eine britische Retail-Bank, die zuletzt massiv Kunden gewinnen und ihr Filialnetz erfolgreich überarbeiten konnte, hat uns ihren Plan zur Neuemission (immer unter Beachtung des Marktumfeldes) geschildert. Nachdem das Institut endlich wieder ein erstes positives Quartal vermeldet hat, sollten sicherlich noch einige folgen, bevor man frische Gelder anzapfen wird. Damit haben wir die Stellschrauben in der Hand, um zu evaluieren, wann eine Bank aktiv und ein (positiver) Einfluss auf bereits ausstehende Anleihen auf unserer Watchlist auftreten kann. Dies ist vor allem für den Timing-Aspekt wesentlich. Da ist die Ideenkiste also weiterhin gut gefüllt und wir sind hochmotiviert auch in Zukunft spannende Sondersituationen bei europäischen Corporates und Financials ausfindig zu machen.
Dass soll es an dieser Stelle erst einmal gewesen sein, im kommenden Monat melden wir uns wie gewohnt wieder zeitiger bei Ihnen und bedanken uns weiterhin für das Vertrauen. Sollten Sie in der Zwischenzeit weitere Rückfragen zum Fonds oder den erwähnten Inhalten haben, ein Update der Präsentation wünschen oder (gerne auch kritisches) Feedback anmerken, kommen Sie jederzeit auf uns zu.
In Hamburg sagt man Tschüss
Andreas Meyer
Gründer & CIO